Laut dem Psychologen Carl Rogers1 ist es dem Menschen angeboren, besser werden und sein Wissen erweitern zu wollen. Er formulierte zehn Lernprinzipien, die sich sowohl auf das Lernen in der Schule als auch bei Weiterbildungskursen auswirken. Diese Theorien über das Lernen lassen sich ebenfalls auf E-Learning-Kurse anwenden, denn sie beschreiben grundlegende Gedankenabläufe, die allen Lernenden gemein sind.
Warum haben wir alle in der Schule Fächer gehabt, die uns leicht fielen und für die wir gern gelernt haben? Wer an einem bestimmten Fachgebiet Interesse hat, lernt dessen spezifische Fakten problemlos. Dies ist auf die intrinsische Motivation zurückzuführen. Sie macht es Lernenden bewusst, dass sie durch das Gelernte einen Vorteil erreichen können.
Ein ausgezeichnetes Beispiel für intrinsisch motiviertes Lernen ist das Erlernen einer Fremdsprache. Wenn sich Lernende für ein bestimmtes Land interessieren und vorhaben, dorthin zu reisen, fällt ihnen das Erlernen der Landessprache in der Regel relativ leicht. Auch bei Weiterbildungskursen spielt die intrinsische Motivation eine wichtige Rolle: Wenn Lernende in den Lerninhalten einen klaren Nutzen sehen, lernen sie auch viel einfacher und schneller.
Lernerfahrungen setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, zu denen auch Wiederholung gehört. Dabei ist es besonders wichtig, dass die Kursinhalte interessant und frisch bleiben. Damit sich Lernende den Stoff schneller einprägen können, lohnt es sich, eine einheitliche Struktur für die einzelnen Online-Lektionen zu wählen. Dabei kann man bei jeder Lerneinheit dieselbe Technik einsetzen, um diese in verschiedenen Szenarien zu trainieren.
Komplexe Inhalte lassen sich am besten verinnerlichen, wenn sie in Teilinformationen, also „mundgerechte Happen“, zerlegt sind. In diesem Zusammenhang spielt das Microlearning eine vorrangige Rolle. Bei dieser Lernmethode werden Informationen in kleinen Portionen an die Lernenden weitergegeben. Microlearning-Inhalte sind einfach zu verdauen und dauern maximal 15 Minuten. Oftmals handelt es sich dabei um Videos oder kurze Texte. Es kann aber auch vorkommen, dass Lernende komplexere Inhalte selbst auf ein einfaches Schema reduzieren müssen.2 Hier ist es wichtig, dass sowohl Lehrende als auch Lernende die Inhalte vereinfachen und somit den Lernprozess vorantreiben.
Laut Max Wertheimer und Wolfgang Köhler, den Begründern der Gestaltpsychologie, wenden Lernende beim Lernen durch Einsicht die eigenen geistigen Fähigkeiten an, um Probleme zu lösen. Das Problem präsentiert sich dabei als Diskrepanz zwischen den Zuständen des „Soll“ und „Ist“: Etwas ist nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Lernende zerlegen das Problem in seine Bestandteile, um eine Lösung zu finden. Sobald die Lösungen der Einzelprobleme bekannt sind, ändert sich oft die Sichtweise auf das übergreifende Problem.
Wenn das menschliche Hirn neues Wissen speichert, tut es dies, indem es neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen aufbaut. Je enger neue mit bereits bestehenden Nervenzellen verknüpft werden können, desto stärker sind die entstehenden Nervenbahnen. Deshalb lohnt es sich, neues Wissen mit bereits vorhandenen Kenntnissen zu verknüpfen. Was für Lernende kein weiteres Problem darstellt, kann für Lehrende zu einer echten Herausforderung werden. Schließlich wissen Lehrende nicht, über welche Vorkenntnisse Lernende bereits verfügen. Lehrende sollten sich im Vorfeld darüber informieren und gegebenenfalls eine Umfrage starten.
Für Erwachsene spielen rigide Strukturen beim Lernen keine wichtige Rolle. Vielmehr ist es die Freiheit, im eigenen Tempo sowie an jedem beliebigen Ort lernen zu können, die erwachsene Kursteilnehmer zu Höchstleistungen anspornt. Aufgrund dieser Erkenntnis sind viele E-Learning-Kurse so gestaltet, dass sie auf sämtlichen Endgeräten abrufbar sind. Dies bedeutet maximale Freiheit und Mobilität beim Lernen. Inhalte werden in verschiedenen Formaten angeboten, wobei die Lernenden selbst wählen können, ob sie anhand eines Videos, eines Textes oder eines Audioclips lernen möchten.
Bisweilen können Lernende keinen Einspruch erheben: Wenn eine obligatorische Weiterbildung ansteht, müssen sie lernen. Im Gegensatz zum freiwilligen Lernen hält sich die Motivation in einer solchen Situation meist in Grenzen. Diesem Mangel an Enthusiasmus können Lehrende entgegenwirken, indem sie klare Ziele setzen. Wenn Lernende wissen, warum und wofür sie lernen, fällt ihnen die Aufarbeitung der Inhalte um einiges leichter. Wenn aus den Lerninhalten ein praktischer Nutzen folgt, ist dies für Lernende in der Regel ein guter Grund zur Motivation. So kann man Lerninhalte mit bestimmten Aufgaben verknüpfen oder anhand verschiedener digitaler Inhalte zeigen, wie sich das erworbene Wissen in den Arbeitsalltag einbauen lässt.
Vor allem in der heutigen Zeit wird unser Hirn fortlaufend mit neuen Informationen konfrontiert. Da die meisten davon nur bedingt relevant sind, werden sie für nur sehr kurze Zeit im Kurzzeitgedächtnis gespeichert, bevor wir sie wieder vergessen. Dennoch nehmen wir diese Informationsflut als etwas wahr, das uns auf Dauer überbeanspruchen kann.3 Damit dies nicht auch beim Lernen geschieht, sollten Lehrende beim Erstellen eines E-Learning-Kurses unbedingt darauf achten, Lernende nicht allzu stark zu belasten und Inhalte portionsweise zu liefern.
Wenn es um Lernprinzipien geht, können Lehrende aus dem Vollen schöpfen und sich genau die Theorien zunutze machen, die am besten auf ihre jeweilige Situation zutreffen. Lernprinzipien, die weitgehend das Ergebnis psychologischer Forschungsergebnisse darstellen, bilden das Grundgerüst eines jeden E-Learning-Kurses. Sie erlauben es Lehrenden, Inhalte an bestimmte Gruppen anzupassen und eine Lernmethode zu wählen, die für die Weitergabe von Wissen am geeignetsten ist.
Dr. Moritz Schulz,
Geschäftsführer